verfasst von Prof. Dr. H. Geißler und Prof. Dr. Stefanie Rödel am 19. 07. 2022
Professionelle (Online-)Coachingprozesse zeichnen sich durch eine entwicklungslogisch begründete Phasenstruktur aus. Diese kann z.B. aus folgenden Phasen bestehen:
Im Sinne des Online-Coaching-Erfolgsfaktor der bedarfsgerechten klaren Prozessstrukturierung bauen diese vier Phasen einerseits entwicklungslogisch aufeinander auf.
Auf der anderen Seite darf die Abfolge der verschiedenen Phasen nicht starr sein, sondern muss eine hinreichende Flexibilität aufweisen. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden,
Dieses Wechselspiel einerseits eines progressiven Voranschreitens von der Klärung des Coachinganliegens, -ziels und -auftrags über die Problemdiagnostik und Entwicklung einer Lösungsstrategie bis hin zur Umsetzungsunterstützung problemlösender Einzelaktivitäten und andererseits einer zirkulären Rückkoppelung an bereits bearbeitete Referenzpunkte führt zu folgendem Phasenmodell:
Dazu ein Beispiel:
Vorgespräch: Eine Frau mittleren Alters ruft einen Coach an und bittet um Hilfe, da sie mit ihrer Arbeit nicht zurechtkommt
Klärung des Coachinganliegens, Coachingziels und Coachingauftrags (1. und 2. Sitzung): Die Klientin schildet ihre berufliche Situation und dass sie fast ständig arbeitsmäßig überlastet ist. Ihr Ziel ist, dass sie Zeitmanagement verbessert.
Klärung der Coachingproblematik (3. und 4. Sitzung): Bei der Analyse ihres Zeitmanagements wird deutlich, dass die Klientin häufig Zusatzaufgaben von Kolleginnen übernimmt, die sie zeitlich zu stark belasten. Die Klientin erkennt, dass hinter ihrem Zeitmanagement-Problem das Problem liegt, nicht Nein sagen zu können. Das Coachingziel wird entsprechend angepasst.
Identifizierung der Lösungsstrategie (5. und 6. Sitzung): Coach und Klientin erarbeiten eine Lösungsstrategie, indem sie weiter die vorliegende Coachingproblematik im Blick haben und kleinere Verbesserungen vornehmen. Der Grundgedanke der Lösungsstrategie darin besteht, dass die Klientin mit ihren Kolleginnen mehr über ihre eigene Arbeitssituation und –belastung spricht, und zwar vor allem in Form von Ich-Botschaften. Die damit verfolgte Absicht ist, dass die Kolleginnen besser über die Arbeitsbelastung der Klientin informiert sind und sie deshalb weniger bitten, Zusatzaufgaben zu übernehmen. Wenn trotzdem eine solche Bitte kommt, plant die Klientin, zunächst einmal tief Luft zu holen und dann mit der Kollegin die Situation, in der beide sind, detailliert zu besprechen.
Identifizierung der nächsten zielführenden Handlungen (7. Sitzung): Der erste Lösungsschritt besteht darin, dass die Klientin stärker initiativ wird, mit den Kolleginnen über ihre eigene Arbeitsbelastung zu sprechen, und zwar mithilfe von Ich-Botschaften.
Evaluation und Unterstützung der Umsetzung der zielführenden Handlungen (8 bis 11. Sitzung): Der geplante Lösungsschritt fällt der Klientin nicht leicht, und zwar vor allem deshalb nicht, weil sie in der Formulierung von Ich-Botschaften wenig trainiert ist. Aus diesem Grunde führt der Coach mit ihr immer wieder entsprechende Rollenspiele durch, in denen die Situationen durchgespielt werden, die die Klientin zuvor in ihrem Büro erlebt hat und die ihr Schwierigkeiten bereitet haben.
Abschlussgespräch (12. Sitzung): Die Klientin blickt zurück auf die letzten Wochen und identifiziert das Wichtigste, das sie gelernt hat und in der nächsten Zeit nutzen will, um Rückfälle ihrer Coachingproblematik zu vermeiden bzw. zu lösen.
Quelle:
Geißler, H. & Rödel, S. (2022). Praxishandbuch professionelles Online-Coaching (im Druck). Weinheim, Basel: Beltz