Erfolgsfaktor 3: virtuelle Aufstellungsarbeit

Die  Aufstellung der problemrelevanten psychischen Bedingungen des/der Coachee

mit Hilfe virtuelller Stellvertreter (Avataren) in einer virtuellen Welt ist ein wichtiger Erfolgsfaktor im Online-Coaching. Dabei sind aber folgende sieben Bedingungen zu beachten:

 

Bedingung 1 – Technische Möglichkeit, alle problemrelevanten psychischen Bedingungsfaktoren des/der Coachee als Figuren räumlich 3D- oder 2D-visuell aufstellen zu können

Die virtuelle Aufstellung der problemrelevanten psychischen Bedingungen des/der Coachee setzt Coaching-Tools voraus, die sich technisch durch Zweierlei auszeichnen. Das Erste ist, dass sie 3D- oder 2D-visuelle Figuren als Stellvertreter bestimmter psychischer Bedingungen zur Auswahl anbieten. Die Figuren können einerseits sehr unterschiedlich sein, d.h. sie können abstrakt (also z.B. ikonenhafte Strichmännchen, unbearbeitete Holzklötze oder Steine) oder realitätsähnliche Nachbildungen von Menschen, Tieren, Pflanzen und/oder Gegenständen sein und sie können mehr oder weniger bzw. in unterschiedlicher Weise (z.B. hinsichtlich ihrer Größe oder Farbgebung) gestaltbar sein. Andererseits jedoch ist es wichtig, dass sie mit ihrer Erscheinung bzw. mit ihren unterschiedlichen Erscheinungsmöglichkeiten die gesamte Breite möglicher problemrelevanter psychischen Bedingungen von Coachees angemessen visualisieren können. Das zweite technische Merkmal, das erfüllt sein muss, ist, dass diese Figuren in einem 3D- oder 2D-visuellen Raum aufgestellt und positioniert werden können. Dabei ist es wünschenswert, aber nicht notwendig, dem/der Coachee mehrere alternative Räume anzubieten.

 

Bedingung 2 – Technische Möglichkeit, die aufgestellten Figuren zu beschriften, d.h. ihnen einen Namen zu geben und sie mit Sprechblasen kommunizieren zu lassen

Eine weitere technische Notwendigkeit, die erfüllt sein muss, besteht darin, dass Coachees die Figuren, die sie als Stellvertreter ihrer coachingrelevanten psychischen Bedingungen ausgewählt, gestaltet und räumlich positioniert haben, diese Figuren auch beschriften können, indem sie ihnen einen Namen geben und sie mit einer Sprechblase kommunizieren lassen.

 

Bedingung 3 – Konzeptionelle Begründung und detaillierte Anleitung des Aufstellungsverfahrens

Um die oben umrissenen technischen Möglichkeiten erfolgswirksam nutzen zu können, ist eine konzeptionell differenziert begründete Anleitung ihrer Nutzung notwendig. Diese Begründung sollte bei allen Unterschiedlichkeiten, die sich hier anbieten, drei Referenzpunkte haben, nämlich eine konzeptionelle Bezugnahme auf das Coachingziel und auf diejenigen psychischen Bedingungen des/der Coachee, die sich mit Bezug auf dieses einerseits als besonders günstig und andererseits als besonders ungünstig erweisen. Für die Entwicklung eines solchen Konzepts bietet es sich an, an das Konzept des Inneren Teams von Schulz von Thun anzuschließen und bei den aufzustellenden Figuren drei Typen zu unterscheiden. Für die Aufstellungsarbeit bedeutet das, in drei Schritten vorzugehen,

Als erstes sollte ein Stellvertreter für denjenigen Persönlichkeitsanteil auswählt, gestaltet und aufgestellt werden, dessen zentrale Aufgabe die Steuerung der gesamten Selbststeuerung ist. Dieser Persönlichkeitsanteil sollte – dem Vorschlag Schulz von Thuns folgend – mit dem Namen „Teamchef*in“ beschriftet werden; und die Sprechblase dieses Persönlichkeitsanteils sollte das Coachingziel des/der Coachee beinhalten. Dieses sollte der/die Teamchef*in den Mitgliedern des Inneren Teams als Projektaufttrag bzw. -ziel mitteilen und diesen Auftrag mit den Worten beginnen: „Ich möchte, dass wir alle ab sofort …“

Der zweite Schritt sollte darin bestehen, zwei, drei oder maximal vier Persönlichkeitsanteile aufzustellen, die den Teamauftrag des/der Teamchef*in unterstützen. Auch sie müssen einen Namen bekommen und mit einer Sprechblase zum Ausdruck bringen, dass und warum sie den Projektauftrag unterstützen. Diese Sprechblase sollte mit den Worten beginnen; „Ich finde das gut, weil …“

Im Anschluss hieran ist in einem dritten Schritt derjenige Persönlichkeitsanteil aufzustellen, der der Umsetzung des Teamauftrags den größten Widerstand entgegenbringt. Die Sprechblase dieses Persönlichkeitsanteils sollte mit den Worten beginnen: „Ich finde das nicht gut, weil …“ Oder: „Da mache ich nicht mit, weil …“

 

Bedingung 4 – klare Prozessstruktur der Coachingsitzung bzw. Gesprächsleitung des Coachs

Die Coachingsitzung, in der zum ersten Mal mit einem Coaching-Tool gearbeitet wird, mit dem die Aufstellung der problemrelevanten psychischen Bedingungen des/der Coachee vorgenommen werden soll, sollte inhaltlich an die vorgängige Erarbeitung (und schriftliche Fixierung) des Coachingziels anschließen. Anschließend sollte der Coach die Agenda der aktuellen Sitzung vorstellen. Der erste Schritt dieser Agenda muss Erklärung und praktische Illustraktion der technischen Handhabung des zu nutzenden Coaching-Tools sein. Anschließend muss er das zugrunde zu legenden Konzept erklären und die sich daraus ableitenden Arbeitsschritte der Aufstellungsarbeit vorstellen und begründen. Diese Arbeitsschritte müssen kann exakt umgesetzt werden. Wenn der/die Coachee dabei bestimmte Probleme hat, muss der Coach noch einmal den konzeptionellen Hintergrund und die sich daraus ableitenden Arbeitsschritte erklären.

 

Bedingung 5 – Analyse der intuitiven Botschaften, die Coachees mit der Wahl, Gestaltung und räumlichen Positionierung der aufgestellten Figuren und ggf. mit der Wahl des Hintergrunds implizit vermitteln

Die Arbeit mit virtuellen Figuren, die in einem virtuellen Raum als Stellvertreter der Persönlichkeitsanteile bestimmter psychischer Bedingungen des/der Coachee aufzustellen sind, spricht vor allem das intuitive Denken an. D.h. die Coachees wählen die Figuren intuitiv aus, sie gestalten sie intuitiv und sie positionieren sie intuitive in dem vorliegenden bzw. gewählten Raum. Alle diese intuitiv getroffenen Visualisierungsentscheidungen haben eine Bedeutung, d.h. sie beinhalten Botschaften, die man mithilfe rationalen Denkens explizit machen sollte, um die Analyse der vorliegenden Coachingproblematik und ihrer Lösungsmöglichkeiten voranzutreiben..

 

Bedingung 6 – Sprachanalyse der Namensgebung und Sprechblasen der aufgestellten Figuren

Der Name des jeweils aufgestellten Persönlichkeitsanteils sollte eine Sinnverdichtung der Aussage sein, mit der er zu dem Projektauftrag des/der Teamchef* zustimmend oder ablehnend Stellung nimmt. Die Aufgabe des Coachs ist es deshalb diese Stimmigkeit zu prüfen und gegebenenfalls den/die Coachee anzuregen, eine entsprechende Überarbeitung vorzunehmen. Eine andere Form der Sprachanalyse sollte sich auf die Notwendigkeit beziehen, dass die Äußerungen der verschiedenen Mitglieder des Inneren Teams sich inhaltlich auf den Teamauftrag konzentrieren und zu ihm klar Stellung zu nehmen. Die Aufgabe des Coachs ist es deshalb, zu prüfen, wie klar diese Stellungnahme ist und ob bzw. wie weitgehend sich die Stellungnahme inhaltlich auf den Teamaufttrag bezieht. Wenn sich hier eine Differenz zeigt, muss der Coach die Coachees anregen, die inhaltliche Bezugnahme der jeweiligen Äußerung genau zu bestimmen und zu überlegen, was wohl der Grund für die vorliegende Differenz sein könnte.

 

Bedingung 7 – Problemanalyse der aufgestellten Gesamtgruppe und Überprüfung des Coachingziels sowie der darauf bezogenen Figurenaufstellung

Nachdem der Analyse der einzelnen Figuren sollte das Gesamtbild der aufgestellten Gruppe zunächst intuitiv unter der Leitfrage betrachtet werden: Was für eine Gruppe ist das – durch welche Merkmale und Dynamik zeichnet sie sich aus? Die anschließende Leitfrage, die nach dem intuitiven Denken mehr das rationale Denken beansprucht, sollte lauten: Was scheint das Kernproblem dieser Gruppe zu sein? Diese Frage zielt auf das Zentrum der vorliegenden Coachingproblematik und das so begründete Coachingziel. Die Antwort auf die Frage nach dem Kernproblem der gerade aufgestellten Gruppe gibt deshalb Anlass, den in der Sprechblase des/der Teamchef*in formulierten Coachingauftrag zu einmal kritisch zu überprüfen und gegebenenfalls nachzubessern.