Coaching-Ausbildungsdidaktik

verfasst von Prof. Dr. H. Geißler  am 19. 11. 2022

Didaktik ist die Lehre und Kunst, anderen ein bestimmtes Wissen bzw. Können zu vermitteln, also z.B. professionell coachen zu können. Dabei stellen sich - nicht nur mit Blick auf Coaching, sondern ganz allgemein - folgende vier Fragen:

  • Um welche Qualifizierungsinhalte, d.h. um welches Wissen und Können geht es bei der Vermittlung?
  • Auf welche Intentionalität (Ziele) ist die Vermittlung ausgerichtet?
  • Welche Medien, d.h. verfügbaren und gestaltbaren technisch-organisatorischen und psychischen Bedingungen werden als Träger der zu vermittelnden Qualifizierungsinhalte gewählt?
  • Mit welchen Methoden werden diese Medien und die in ihnen enthaltenen Qualifizierungsinhalte prozessual gestaltet?

Die Didaktik als wissenschaftlich reflektierte Lehre und Kunst kann auf eine lange und facettenreiche Geschichte zurückblicken. Versucht man, die unendliche Fülle der verschiedenen Ansätze und Modelle zu ordnen, lassen sich mit Bezug auf die Schrittfolge ihres Vorgehens zwei Didaktik-Typen unterscheiden, nämlich die Ableitungsdidaktik und die Ermöglichungsdidaktik.

Ableitungsdidaktiken zeichnen sich dadurch aus, dass in einem ersten Schritt diejenigen Inhalte der Wissenschaft bzw. Kultur identifiziert werden, die besonders wertvoll sind und deshalb mithilfe der Didaktik an Lernende vermittelt werden sollen. In einem zweiten Schritt ist dann zu klären, d.h. konzeptionell "abzuleiten", mithilfe welcher Medien und Methoden sie sinnvoll zu vermitteln sind.

In diesem Sinne zeichnen sich ableitungsdidaktisch begründete Coaching-Ausbildungen dadurch aus, dass zunächst zum einen auf den wissenschaftlichen Coaching-Diskurs und zum anderen auf die Coaching-Praxis geschaut wird um dasjenige Wissen und Können zu identifizieren, was für Coaching als grundlegend erscheint. In einem zweiten Schritt geht es dann darum, dieses mithilfe geeigneter Medien und Methoden zu vermitteln. Konkret geht es dabei um folgendes:

  • Informationsvermittlung durch schriftliche Studienunterlagen, mündliche Vorträge und Diskussionen
  • Auseinandersetzung mit videodokumentierten oder life präsentierten Muster-Coachings 
  • Praxistraining der Auszubildenden

Eine der größten Probleme ableitungsdidaktisch begründeter Coaching-Ausbildungen ist, dass es bisher keinen Konsens bezüglich der Frage gibt, welches Wissen und Können für Coaching grundlegend ist.

Diese Schwäche lenkt den Blick auf die Ermöglichungsdidaktik (z.B. Arnold, Gómez Tutor, Prescher & Schüßler 2016). Denn ihr Prinzip ist, die zu vermittelnden Qualifizierungsinhalte sehr viel mehr auch mit Blick auf die Praxisherausforderungen und Lerninteressen der Lernenden zu identifizieren.

In diesem Sinne zeichnet sich das Praxistraining ermöglichungsdidaktisch begründeter Coaching-Ausbildungen dadurch aus, dass die Kursteilnehmenden eine eigene Coachingproblematik einbringen und als Coachees die - sich über mehrere Monate erstreckende - Erfahrung machen, wie  diese Problematik in den verschiedenen Phasen des Coachings bearbeitet wird und sich entwickelt.

Der entscheidende Unterschied zu ableitungsdidaktisch begründeten Praxistrainings ist, dass hier bestimmte lehrplanmäßgi vorgesehen Inhalte stärker im Vordergrund stehen und dass ihr praktisches Training sich dadurch auszeichnet, dass die Kursteilnehmenden passende eigene Coachingproblematiken identifizieren. 

 

Literatur

Arnold, R., Gómez Tutor, C., Prescher, T. & Schüßler, I. (Hrsg.) (2016). Ermöglichungsdidaktik: Offene Fragen und Potenziale. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren

Geißler, H. & Rödel, S. (2023). Praxishandbuch professionelles Online-Coaching. Weinheim, Basel: Weltz