verfasst von Prof. Dr. H. Geißler am 19. 11. 2022
Affekte sind emotional-motivationale Spontanreaktionen, die weitgehend durch lebensgeschichtliche Konditionierungen erlernt sind. Ihre bewusste Steuerung ist deshalb äußerst schwierig. D.h. die Erfahrung, Erinnerung oder Imagination bestimmter Situationen löst - unbewusst und deshalb unkontrolliert - spontan Emotionen aus, die mit bestimmten Motivationen und manchmal auch Handlungen fest verbunden sind. Diese können für die Bearbeitung vorliegender (Coaching-)Probleme positiv oder negativ sein. In diesem Sinne kann man auf der einen Seite positive Affekte wie Interesse, Freude und Überraschung und auf der anderen Seite negative Affekte unterscheiden. Hierzu gehören vor allem Angst, Scham, Schuldgefühle, aber auch Trauer, Wut, Ekel und Verachtung.
Für Coaching sind Affekte von zentraler Bedeutung, weil sie oft die handlungspraktische Umsetzung der zielführenden Handlungen behindern oder verhindern, die im Coachingdialog für die Lösung der vorliegenden Coachingproblematik entwickelt worden sind. Negative Affekte sind deshalb in der Regel der Kern der vorliegenden Coachingproblematik.
In diesem Sinne sind Coachingproblematiken die Folge negativen Affektsteuerungen, die häufig zu Verharmlosungen, Selbstrechtfertigungen, Aktionismus, Trotz, Überanpassung, Grübelei und/oder Gefühls- und Denkblockaden führen.
Um den Erfolg von Coaching sicherzustellen, ist es notwendig, dass die lebensgeschichtlich gelernten negativen Affekte so verändert werden, dass sie die Umsetzung der im Coaching entwickelten Lösungsstrategie nicht behindern, sondern nach Möglichkeit sogar begünstigen.
Dabei bieten sich zwei Möglichkeiten an, die sinnvoll miteinander kombiniert werden sollten. Die erste bezieht sich auf die Coach-Coachee-Interaktion und besteht darin, dass der Coach versucht, bei seinen Coachees positive Affekte zu stimulieren, d.h. bei ihnen Freude, Interesse und Neugier zu wecken und zu entfalten, sich tiefergehend selbst zu erkunden und Neues auszuprobieren.
Die zweite Möglichkeit ist, die Coachees anzuregen, ihre faktischen Erfolge stärker zu würdigen, um so eine Art Umkonditionierung zu erreichen. Noch verstärkt werden kann das durch Erfolgsimaginationen an, die mithilfe von Coaching-Tools visualisiert werden, die Avatare in virtuellen Welten anbieten, wie z.B. CoSpaces oder ProReal.
Literatur
Engel, A. & Kuhl, J. (2018). Affekte und Handlungsregulation beim Coaching. In S. Greif, H. Möller & W. Scholl (Hrsg.), Handbuch Schlüsselkonzepte im Coaching (S. 33-40). Wiesbaden: Springer
Geißler, H. & Rödel, S. (2023). Praxishandbuch professionelles Online-Coaching. Weinheim, Basel: Beltz