Beziehung

verfasst von Prof. Dr. H. Geißler  am 19. 10. 2022

Die Beziehung, die Einzelpersonen oder Gruppen miteinander haben, werden dadurch bestimmt, wie sie ihren Umgang miteinander gestalten. Die Beziehungsgestaltung wird dadurch bestimmt, wie sie sich mit ihrem Handeln, Planen, Diskutieren, Überprüfen oder auch bei ihrem Nachdenken einerseits auf andere oder anderes beziehen und andererseits auf sich selbst. Ersteres bezeichnet man als Fremdreferenzialität und Letzteres als Selbstreferenzialität.

Das systemtheoretische Denken, und hier vor allem die soziologische Theorie von Niklas Luhmann hat gezeigt, dass jede Fremdreferenzialität notwendigerweise immer auch eine bestimmte Selbstreferenzialität impliziert. Und auch das Umgekehrte gilt. Denn wenn man sich auf sich selbst bezieht, grenzt man sich - zumindest implizit - immer in einer bestimmten Weise von anderen ab.

Diese Bezugnahme auf sich selbst und auf andere bzw. anderes kann in zwei unterschiedlichen Haltungen erfolgen, nämlich

  • in der Haltung der Objektreferenzialität, die sich dadurch auszeichnet, dass man sich oder andere zum Objekt der eigenen Betrachtungen oder Aktivitäten macht, auf das man sozusagen von oben draufschaut,
  • oder in der Haltung der Subjektreferenzialität. Diese zeichnet sich durch einen achtsamen, d.h. einfühlsamen und resonanten Umgangs mit sich und der Welt, also mit anderen und der Natur aus. 

Diese Verbindung von Objekt- und Subjektreferenzialität und die so bedingte Erweiterung der Wahrnehmungs- und Denkperspektive ist auch für den Begriff und das Konzept der Bildung - und damit auch für Coaching - grundlegend.

Denn Coaching sollte als ein Aufklärungsdialog und Problemlösungsprozess konzipiert und praktiziert werden, in dem das Denken und Handeln der Coachees vorrangig selbst- und subjektreferenziell ausgerichtet ist.

Daraus leiten sich zwei zentrale Aufgaben für professionelle Coaches ab, nämlich erstens, dass sie ihre Coachees systematisch anregen, vor allem auf sich selbst zu schauen und nicht der Versuchung zu erliegen, die Ursachen ihrer Problematik primär bei  anderen oder bei ihren widrigen Lebensumständen zu suchen. Und zweitens ist es wichtig, sie zu ermutigen, dabei liebevoll auf das zu schauen, was da objektiv vorliegt und zu sehen ist.

 

Literatur:

Geißler, H. (2000). Organisationspädagogik. München: Vahlen

Geißler. H. & Rödel. S- (2023). Praxishandbuch professionelles Online-Coaching. Weinheim, Basel: Beltz

Luhmann, N. (1984). Soziale Systeme. Frankfurt/M.: Suhrkamp