Coachingziel

verfasst von Prof. Dr. H. Geißler  am 19. 07. 2022

Coaching ist eine Dienstleistung, die darin besteht, Menschen zu helfen, bestimmte Ziele zu erreichen, die sie bisher nicht hinreichend gut erreichen konnten. Da diese Ziele die intendierten Ergebnisse des Coachings sind, kann man sie auch als Ergebnis-Ziele bezeichnen.

Diejenigen, die diese Ziele festlegen, sind zunächst einmal die Coachees, also diejenigen, die das Coaching beauftragen.

Die dabei zugrunde gelegte Vorannahme ist, dass diese Ziele ganz und gar im Interesse ihrer Auftraggeber, also der Coachees, sind. Genau das aber ist nicht immer der Fall. Denn es kann auch sein, dass das Coachingziel ein bisher unerkannter Teil der Coachingproblematik ist. Ein Beispiel hierfür wäre, dass der Coachee unter Arbeitssucht leidet und deshalb das Coachingziel hat, noch härter arbeiten und noch mehr leisten zu können.

Ein wichtiges Merkmal der Professionalität von Coaching - und zwar sowohl von Face-to-Face- wie auch von Online-Coaching -  besteht deshalb darin, dass Coaches ihre Arbeit einerseits auf die Erreichung der von den Coachees formulierten Ergebniszielen ausrichten, dabei aber andererseits diese auch - zusammen mit den Coachees - kritisch prüfen, und zwar mit Blick auf die Frage, ob die ins Auge gefassten Ziele selbstkongruent sind, d.h. ob bzw. wie weitgehend sie den "wirklichen" Interessen der Coachees entsprechen.

Wenn diese Aufklärung sichergestellt ist, kann der nächste wichtige Schritt darin in Angriff genommen werden, nämlich die zentrale Ursache dafür zu identifizieren, dass es den Coachees bisher nicht möglich war, ihr Ziel hinreichend gut zu erreichen. Die konzeptionell für Coaching grundlegende Vorannahme ist dabei, dass die zentrale Ursache nicht eine psychische Störung ist. Denn dann wäre statt Coaching Psychotherapie notwendig. Und es wird auch davon ausgegangen, dass die Zielerreichung nicht einfach nur durch Wissensvermittlung oder Verhaltenstrainings erreicht werden kann. Die Vorannahme, die für Coaching konzeptionell grundlegend ist, besteht vielmehr darin, dass die Zielerreichung bisher durch einen bestimmten inneren Widerstand, also durch eine Art psychischer Bremse verursacht worden ist. Aus diesem Grunde ist es notwendig, dass die Coachees - mithilfe der Coaches - sehr genau in sich hineinfühlen und prüfen, welche inneren Kräfte, also Motive und Gefühle, sich auf der einen Seite für die Zielerreichung stark machen und welche Bedenken haben und entsprechend bremsen. Für diese Aufklärungsarbeit bietet sich das Konzept des Inneren Teams und das ihm zugrunde liegende positive Menschenbild an. 

Diese innere Bremse ist der Kern der vorliegenden Coachingproblematik. Um sie gut zu lösen, ist es deshalb notwendig, dass die Coachees eine Lösungsstrategie finden, die ihnen zeigt, wie sie anders mit dieser Bremse umgehen. Diese Aufgabe verlangt ein Double-Loop Learning, d.h. ein Lernen, das auf mehreren Ebenen sich vollzieht. Denn das Ziel, das am Ende des Coachings erreicht sein soll, kann nur dann optimal erreicht werden, wenn auf einer systemisch übergeordneten Ebene zusätzlich zu diesem Ziel auch ein Lern- und Entwicklungsziels. Der Sinn und Zweck dieses übergeordneten Ziels, das sich stark auf die Persönlichkeitsentwicklung der Coachees, besteht darin, für die Erreichung des Ziels, das am Ende des Coachings erreicht werden soll, optimale Voraussetzungen zu schaffen.

 

Literatur:

Geißler, H. & Rödel, S. (2023). Praxishandbuch professionelles Online-Coaching. Weinheim, Basel: Beltz

Grant, A. M. (2018). Ziele im Coaching. In: S. Greif, H. Möller & W. Scholl (Hrsg.). Handbuch Schlüsselkonzepte im Coaching (S. 667-678). Wiesbaden: Springer